Und
immer geistert noch das Muttenjoch. Samstag,
21. August 2004 |
Um es
vorweg zu nehmen, es wurde ein wunderbarer Urlaub. Unsere Gruppe
harmonierte gut. Wir konnten am Abend vorher planen, wo es am nächsten
Tage hingehen sollte, und wir planten immer gut. Das Wetter spielte mit
- fast genau so, wie wir es haben wollten. Unsere Pension gefiel uns,
die Zimmer waren sauber, und unsere Wirtin verwöhnte uns mit einem
reichhaltigen guten Frühstück. Unbeschreiblich und grandios das
Hochgebirge mit seinen Gletschern und Seen. 74 Dreitausender sollen im
Gemeindegebiet Galtür zu sehen sein. Nicht alle Schutzhütten konnten
wir in den neun Tagen erwandern, und wir waren uns einig, für das
nächste Jahr noch einiges aufgehoben zu haben. |
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Sonntag,
22.August 2004 |
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Ursprünglich wollten wir auf gleichem Wege zurück. Aber bei diesem herrlichen Wetter war es einfach verlockend, auf dem Edmund-Lorenz-Weg über den Radsattel zu gehen. Es war leichter als gedacht. Der Anstieg führte in gleissender Sonne über Schneefelder bis zum 2652 m hohen Sattel immer mit dem Rundblick auf Berge, Gletscher und Gebirgsseen. Unzählige Bäche flossen und stürzten talwärts. Hinab führte der Weg ins Bieltal, durch das wir die Bielerhöhe wieder erreichten. |
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Montag,
23.August 2004. Vom Gasthof Zeinisjoch (1822 m) wanderten wir auf dem Fahrweg zur Neuen Heilbronner Hütte (2320 m), die wir nach ca. 90 Minuten erreichten. Nördlich der Hütte die wunderschönen Scheid-Seen am Verbellner Winterjöchli. Hier verläuft die Wasserscheide Nordsee - Schwarzes Meer. |
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Nach einer Rast ging es weiter auf schmalem Steig, teilweise sogar weglos. Wir liefen über Steinplatten und grosse Felsbrocken hinweg und mussten die Schritte überlegt setzen. Nach Überwindung des nordöstlichen Jöchligrates (ca. 2500 m) ging es auf schmalem Pfad hinab ins Ochsental (2357 m), das zum Quellgebiet der Rosanna gehört. |
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Nach Überquerung der Rosanna der Anstieg, zunächst noch moderat, dann auf Serpentinen immer steiler, unvorstellbar, dass hier jemand laufen könnte. Selbst zum Gehen stellt sich Luftknappheit ein. Die 263 Meter Höhenunterschied zum 2620 m hohen Muttenjoch wollen erklommen werden. Wir waren beeindruckt und zweifelten, ob bei diesen Steigungen das Profil von Laufschuhen den notwendigen Halt finden könnte. Unsere Gruppe zog sich weit auseinander. Jeder stieg für sich allein. Wir benötigten etwa eine halbe Stunde, bis wir die Scharte erreicht hatten. Hier oben war es windig und kalt. Es gab fast keine Vegetation. |
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Nach kurzer Rast der steile Abstieg durch das Geröll. Ein langes Schneebrett musste überwunden werden. Nach ca. 300 Höhenmetern kamen wir auf einen befestigten Weg, der zur Friedrichshafener Hütte führte. |
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Von der Hütte wählten wir den Fahrweg mit Serpentinen in das Tal der Trisanna. Hier im Ortsteil Tschaffein (1530 m) am Paznauner Hof zweigt die 28-km-Strecke ab und führt ins 2 Kilometer entfernte Galtür. Die Marathonläufer müssen aber die Bundesstrasse und die Trisanna überqueren, um dann auf der anderen Seite im Lareintal, das zur Silvretta gehört, wieder aufzusteigen. Die Besichtigung dieses Streckenteils haben wir uns für einen weiteren Wandertag vorbehalten. |
Dienstag,
24. August. |
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Mittwoch, 25. August. Es regnet. An Wandern ist nicht zu denken. Ein Ruhetag kommt uns auch gelegen. Attraktion für einen solchen Tag ist das Alpinarium mit der Ausstellung "die lawine". Äußerlich ist heute in Galtür vom damaligen Unglück nichts mehr zu sehen. Nur die Lawinenschutzmauern, eine noch freie Fläche, auf der vor dem Unglück Hotels und Pensionen standen, und das Alpinarium erinnern noch daran. In der Ausstellung werden zwei Extreme durch Bilder, Filmausschnitte und Geräusche wahrnehmbar gemacht: die friedlich verträumte Schneelandschaft in all ihrer Pracht und die Lawine als gewaltiges Naturschauspiel in ihrer - auch zerstörerischen - Macht. In zwei Räumen steht die Dorf-Gemeinschaft im Mittelpunkt. Mit den 631 Portraits der Galtürer weiß der Besucher wenig anzufangen, zu pompös neben der kleinen Gedenktafel für die Opfer. Neben dem Thema Dorfgemeinschaft widmet sich die Dokumentation dem Unglück selbst. Dabei werden auch die Ereignisse der Wochen davor und danach vermittelt. Die über Galtür hereinbrechende "Medienlawine" und die darauf folgende "Stornierungswelle" ist ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung. Donnerstag, 26. August. |
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Von der
Terasse genießen wir beim Almdudler und Weizenbier die gewaltige
Gebirgslandschaft. Eigenartig fröhlich und lustig geht es zurück auf
befestigtem Weg zunächst hinab zu den Schwarzen Böden und in das
Kromertal bis zu einer Wegegabelung, von der aus östlich durch
schuttbedeckten Talboden hinüber zur Ill, die uns bis kurz vor die
Bielerhöhe begleitet. |
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Freitag, 27. August. Ein herrlicher Tag. Leichte Wanderung zum Paznauner Hof, von wo aus wir die Besichtigung der Marathonstrecke fortsetzen. Eine Forststraße führt hinauf in das Lareintal. 300 Höhenmeter müssen bis zur Lareinalpe, dem Wendepunkt der Laufstrecke, überwunden werden. Nach kurzer Rast in der wenig gastlichen Hütte führt die Strecke ein kurzes Stück zurück und biegt dann auf den Galtürer Höhenweg ein, dem wir bis ins Jamtal folgen. Dort verlassen wir den Kurs und wandern noch einmal zur Scheibenalm, wohin der Veranstalter zu einem gemütlichen Zusammensein bei Tiroler Musik eingeladen hatte. Der Rückweg ins Dorf ist sehr beschwingt. |
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Samstag, 28.
August. Heute nutzen wir die Seilbahn, um auf den Berg zu kommen. Wir geniessen die warme Sonne und pflücken unterwegs Heidelbeeren. Von der Bergstation der Birkhahnkopfbahn führt unsere Wanderung hinab zum Kops-Stausee, den wir auf seiner westlichen Seite auf dem Uferweg und der Staumauer halb umrunden. Am Zeinisjochhaus gelangen wir auf die Marathonstrecke, die wir über das Joch und dann am Zeinisbach entlang zurück nach Galtür verfolgen. |
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Natürlich dreht
sich alles um den Event am nächsten Tag. Mittlerweile sind sich wohl
alle zumindest insgeheim einig, den Marsch über die Marathonstrecke
bestehen zu wollen. Und dann kommen wir, während wir auf das Abendessen
warten, mit einer jungen Dame ins Gespräch. Sie kennt die Strecke und
war sie schon im letzten Jahr gelaufen. In 7 Stunden könnten wir das
auch schaffen. Jetzt ist der Dieter nicht mehr zu halten, und ich muss
hinterher. Die richtigen Schuhe haben wir ja, und bis Meldeschluss sind
es ja noch 20 Minuten. Wir laufen hinüber ins Gemeindeamt und melden
um: von Wandern auf Laufen. Die Würfel sind gefallen. Später bringt Matthias das Auto mit seinen Laufschuhen und denen von Ellen und Evi zum Paznauner Hof, lässt das Auto dort stehen und sich von Dieter abholen. Dort wollen sie am nächsten Tag, wenn sie die hochalpine Region hinter sich haben, in die Laufschuhe schlüpfen, um damit das letzte Drittel der Marathonstrecke zu bewältigen. Sonntag, 29. August. |
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Spätestens ab
hier ist das Gebiet hochalpin. Nach Überwindung der Höhe von 2500 m
östlich des Jöchligrates kann ich konzentriert auf schmalem Pfad ins
Ochsental laufen. Nach Überwindung des Baches die fürchterliche
Steigung. Ich gehe langsam, um nicht in Sauerstoffnot zu geraten. Der
Hang ist unendlich hoch, und trotzdem bin ich überrascht, ganz
plötzlich Leute zu sehen und dann auf dem Muttenjoch (2620 m) zu
stehen. Ausgezeichnetes Laufwetter. Aber die Helfer frieren. Für sie
gibt es nur wenig Schutz vor dem kalten Wind. Orangen, Zitronen und
Getränke werden gereicht. Bewundenswert, dies alles hier hoch geschafft
zu haben. Der Abstieg mit ca. 300 m Höhenunterschied führt durch
Geröll, über Steinplatten und ein langes Schneefeld und erfordert
höchste Aufmerksamkeit. Dann ein befestigter Weg bis zur
Friedrichshafener Hütte( 2138 m), auf dem ich gut laufen kann. An der
Hütte kann ich etwas trinken. Erstaunlich für mich, wie wenig Durst
trotz grosser Höhen ich an diesem Tag verspüre. Hieß es doch beim Swiss
Alpine Marathon immer: "Trinken, trinken, trinken". Aber die Flasche,
die ich mit mir trage, bleibt bis ins Ziel gefüllt. Von der Hütte waren
wir vor einer Woche auf befestigtem Fahrweg mit Serpentinen in das Tal
der Trisanna gelangt. Doch heute geht es für die Läufer über
Abkürzungen auf einem widerlichen Pfad, gespickt mit Wurzeln und
Steinen. Kurz vor dem Paznauner Hof (1530 m) ist das gefährliche Stück
geschafft. Die Bundesstraße wird überquert, nach der Labestation über
eine Naturtreppe hinunter zur Trisanna und auf einer Brücke über das
Wasser hinweg. Der Aufstieg auf einem Forstweg in das Lareintal ist
zunächst moderat. Aber nach 30 km fängt es an, weh zu tun. Der Weg will
nicht enden. 350 m Höhenunterschied müssen überwunden werden. Die
letzten 500 Meter auf einem Trampelpfad am Lareinbach werden zur Qual.
Endlich die Getränkestelle. Der höchste Punkt an der Lareinalpe (1860
m) ist erreicht. Noch sieben Kilometer, wird mir signalisiert. Es geht wieder talwärts, zunächst auf befestigten Weg, dann auf dem Pfad des Galtürer Höhenweges. Zwar ist die Tendenz fallend, doch immer wieder kleinere Anstiege zwingen mich zum Gehen. Der Weg führt ein Stück ins Jamtal hinein. Über eine Weide wird die Talsohle erreicht. Hier an der Eggalm (1635 m) letzte Getränkestation. Das Ziel ist nah. Über den Jambach, noch eine kleine Steigung und es geht nach Galtür hinein. Ein paar Kurven durchs Dorf, nochmal eine kleine Steigung und nach Überquerung einer Wiese ist das Ziel am Sportzentrum erreicht. Die Zeit: 6:18:54. Ich bin zufrieden. Doch später stellt sich heraus, 15. und letzter in der M60 - sollte wohl doch lieber wieder walken; da gibt es bessere Plätze. Es ist kalt geworden, später regnet es. Ich suche Schutz in der Halle und kann in dem Trubel Dieter nicht finden. Als wir uns später begegnen, war er schon geduscht umgezogen; seine Zeit: 5:41:26 und 10. in der AK60 bei seinem ersten Marathon überhaupt. Es ist ungemütlich. Ich verschwinde ebenfalls zum Duschen und Umziehen, hole den Fotoapparat und komme rechtzeitig zurück, um den Zieleinlauf von Evi, Ellen und Matthias zu feiern. Wie kann man nach solch einem Marsch nur so fröhlich aussehen! 7:35:30 ihre Zeit. Für Matthias war es der erste Marathon überhaupt, für Ellen und Evi der zweite, nachdem sie 3 Wochen zuvor in Monschau ihren ersten absolviert hatten. Ellens Knie war aufgeschlagen und dick verbunden. Nach dem Gesetz der größten Gemeinheit war sie nicht in schwierigem Gelände, sondern gleich zu Beginn auf asphaltierter Strasse mit eigenem Stock in die eigene Schnürsenkelschlaufe gefädelt und gestürzt. Bei solch einer Verletzung wäre für manch anderen die Veranstaltung zu Ende gewesen. |
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Es regnet.
Warum auch nicht? Unser Urlaub neigt sich dem Ende entgegen. Den
Nachmittag verbringen wir bei viel Musik, Laudatio und Siegerehrung in
der Halle. Wie so oft, hat es auch hier den Anschein, als ob die ganze Arbeit nur an einem einzigen hängen geblieben ist. Als wir am Abend die Halle verlassen, räumt er gerade die Tische weg. Ellen greift sich ihn und erzählt ihm, was ihr alles bei ihrem zweiten Marathon gefallen hat, und wo es auch Verbesserungsmöglichkeiten gäbe. Interessiert und dankbar hört er sich das an, ruft seinen Hilfssherriff hinzu, um auch ihm die Neuerungsvorschläge zugänglich zu machen. Und dann werden wir alle zusammengerufen zwecks Überreichung eines kleinen Pokals an die LLG Springe. Am nächsten Tag geht es heimwärts. Wir haben 9 Tage Urlaub intensiv erlebt und voll ausgekostet in einer wunderbaren Gebirgswelt. Der Gipfel war das Muttenjoch. Es wird noch viele Male in unseren Träumen geistern. |